Basierend auf dem Artikel „How Much Stress Is Too Much?“ von Herbert Benson und Robert L. Allen, veröffentlicht in der Harvard Business Review im September 1980.
Stress spielt eine vielschichtige Rolle am Arbeitsplatz und kann sowohl die Leistung steigern als auch erheblichen Schaden anrichten. Stress, der als eine „selbst verabreichte Droge“ beschrieben wird, kann die Produktivität steigern, wenn er gut gemanagt wird. Zu hohe Stresslevel führen jedoch zu schwerwiegenden Folgen für Einzelpersonen und Organisationen. Der Artikel, gestützt auf jahrzehntelange medizinische Forschung und Interviews mit sechs führenden CEOs, bietet praktische Einblicke in die effektive Bewältigung von Stress.
Die doppelte Natur des Stresses
Stress ist entscheidend, um Handlungen zu motivieren und die Konzentration zu verbessern. In moderaten Dosen gibt er Energie und fördert die Effizienz der Mitarbeitenden. Bei übermäßigem Stress hingegen wird er schädlich und führt zu Gesundheitsproblemen, fehlerhaften Entscheidungen, Fehlzeiten und einer hohen Fluktuation. Krankheiten, die mit Stress in Verbindung stehen, verursachen jährlich Milliardenverluste durch Produktivitätsausfälle und medizinische Kosten. Der Artikel hebt hervor, wie wichtig es ist, ein Gleichgewicht zu finden, das es Organisationen ermöglicht, die Vorteile von Stress zu nutzen, ohne seine negativen Auswirkungen zu erleiden.
Physiologische Grundlagen von Stress
Die „Kampf-oder-Flucht“-Reaktion, identifiziert von Dr. Walter Cannon, ist eine natürliche physiologische Reaktion auf Stress. Sie bereitet den Körper durch eine Erhöhung der Herzfrequenz, des Blutdrucks und der Muskelspannung auf unmittelbare Aktionen vor. Diese Reaktion ist kurzfristig vorteilhaft, aber ihre langfristige Aktivierung kann chronische Gesundheitsprobleme wie Bluthochdruck, Herzkrankheiten und Schlaganfälle verursachen. Die Autoren schlagen zwei bewährte Methoden zur Minderung dieser Risiken vor:
Körperliche Bewegung: Regelmäßige sportliche Aktivitäten leiten die durch Stress erzeugte Energie ab und verringern die schädlichen Auswirkungen der „Kampf-oder-Flucht“-Reaktion.
Entspannungsreaktion: Techniken wie Meditation und fokussierte Atmung bewirken physiologische Veränderungen, die den Stressreaktionen entgegengesetzt sind, fördern Gelassenheit und reduzieren Ängste. Studien zeigen, dass Mitarbeitende, die regelmäßig solche Techniken anwenden, weniger stressbedingte Symptome und eine bessere Gesundheit aufweisen und produktiver arbeiten.
Das Yerkes-Dodson-Gesetz: Stress und Leistung
Das Yerkes-Dodson-Gesetz beschreibt die Beziehung zwischen Stress und Leistung. Während sich die Leistung mit steigendem Stress zunächst verbessert, nimmt sie ab einem bestimmten Punkt ab, wenn der Stress überwältigend wird. Die im Artikel befragten CEOs bestätigen dieses Phänomen und betonen, dass ein gewisses Maß an Stress notwendig ist, um die Motivation aufrechtzuerhalten. Ein Übermaß an Stress führt jedoch zu Burnout, unberechenbarem Verhalten und schlechten Entscheidungen.

Stress bei Führungskräften
Interviews mit Führungskräften von Unternehmen wie Xerox, American Airlines und Pfizer zeigen unterschiedliche Einstellungen und Reaktionen auf Stress:
Stress anerkennen: Einige Führungskräfte spielen ihren eigenen Stress herunter, während andere offen Gesundheitsprobleme und Karriereunterbrechungen ansprechen, die durch Stress verursacht wurden.
Work-Life-Balance: Führungskräfte wie Peter McColough von Xerox fördern aktiv ein Gleichgewicht durch regelmäßige Urlaube, Hobbys und die Ermutigung ihrer Mitarbeitenden, Interessen außerhalb der Arbeit zu entwickeln. Diese Praktiken reduzieren Burnout und verbessern die Moral.
Managementstile: Einige CEOs schaffen unterstützende Arbeitsumgebungen durch klare Erwartungen und konstruktives Feedback, während andere durch überfordernde oder unberechenbare Verhaltensweisen Stress erhöhen.
Organisatorische Maßnahmen gegen Stress
Trotz der Anerkennung der durch Stress verursachten Kosten setzen nur wenige Unternehmen formelle Strategien zur Stressbewältigung um. Der Artikel schlägt mehrere organisatorische Maßnahmen vor:
Stress-Arbeitsgruppen: Bildung von abteilungsübergreifenden Teams, um Stressquellen zu identifizieren und Interventionen zu empfehlen.
Integration von Entspannung: Einführung von Entspannungspausen während des Arbeitstags, um die „Kampf-oder-Flucht“-Reaktion zu kompensieren.
Förderung körperlicher Aktivitäten: Investitionen in Fitness-Einrichtungen und die Förderung von Bewegung zur Stressreduktion und Verbesserung der Gesundheit.
Anreizsysteme anpassen: Gestaltung von Belohnungssystemen, die Mitarbeitende motivieren, ohne sie zu überfordern, und ein Gleichgewicht zwischen Leistung und Wohlbefinden schaffen.
Die Rolle der CEOs bei der Stressbewältigung
Das Verhalten und die Einstellung der obersten Führungskräfte beeinflussen maßgeblich, wie Organisationen mit Stress umgehen. CEOs setzen Maßstäbe, indem sie effektives Stressmanagement vorleben und eine unterstützende Unternehmenskultur fördern. Beispiele dafür sind:
Unternehmenskultur: Xerox setzt auf Sabbaticals, soziale Freistellungen und Fitnessprogramme, um das Wohlbefinden der Mitarbeitenden zu fördern.
Mit gutem Beispiel vorangehen: Führungskräfte, die ihren eigenen Stress durch regelmäßige Urlaube, Hobbys und eine positive Einstellung managen, schaffen eine gesündere Arbeitsumgebung.
Grenzen erkennen: Führungskräfte müssen wissen, wann sie Leistung fördern und wann sie Erholung zulassen sollten. Zu hoher Druck kann langfristige Schäden verursachen.
Die Kosten, Stress zu ignorieren
Unkontrollierter Stress führt zu erheblichen Kosten, darunter Fehlzeiten, Umschulungskosten und eine geringere Mitarbeiterzufriedenheit. Neben finanziellen Verlusten untergräbt übermäßiger Stress Vertrauen, reduziert die Zusammenarbeit und erhöht die Fluktuation. Die Autoren betonen, dass Stressbewältigung nicht nur eine individuelle, sondern auch eine unternehmerische Verantwortung ist, mit gegenseitigen Vorteilen für Mitarbeitende und Organisationen.
Eine strategische Herangehensweise an Stressmanagement
Um Stress effektiv auszugleichen, müssen Organisationen:
Die physiologischen Mechanismen von Stress verstehen, einschließlich der „Kampf-oder-Flucht“- und Entspannungsreaktionen.
Das Yerkes-Dodson-Modell nutzen, um Stresslevel für optimale Leistung zu optimieren.
Richtlinien erstellen, die Stressbewältigungspraktiken in den Arbeitsalltag integrieren.
Diese Initiativen erfordern das Engagement der Führungsebene. CEOs müssen das Stressmanagement als Teil ihrer strategischen Vision fördern und sicherstellen, dass Programme unterstützt und in der gesamten Organisation angenommen werden.
Fazit
Stress ist ein unvermeidlicher Teil des modernen Geschäftslebens, kann jedoch so gesteuert werden, dass er sowohl Mitarbeitenden als auch Organisationen zugutekommt. Durch die Förderung einer Unternehmenskultur, die Stress durch Bewegung, Entspannung und unterstützende Führung ausgleicht, können Unternehmen die Produktivität steigern und gleichzeitig Gesundheit und Moral schützen. Der Artikel betont, dass die Bewältigung von Stress nicht nur eine Frage des Überlebens ist, sondern auch einen strategischen Vorteil für die Schaffung widerstandsfähiger und leistungsstarker Teams bietet.
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